Interview: Kulturelle Bildungskooperationen im kommunalen Kontext

Liebe Anja, wo steht ihr mit den Kultur.Klassen aktuell und was macht das Programm deines Erachtens so erfolgreich? 

Seit der Pilotphase von 2010 bis 2012 haben wir eine rege Nachfrage von Schulen und Kitas aus Stadt und Landkreis Bamberg. Die Kultur.Klassen sind für uns Türöffner und Wegbereiter für Kulturelle Bildung im Schul- und Kita-Alltag. Sie ermöglichen es, dass man in einem Kultur.Klassen-Jahr ganz niedrigschwellig 20-mal 90 Minuten Kulturelle Bildung umsetzen kann. Der Vorteil für die Schulen und Kitas ist, dass wir als Kommune 60 Prozent der Gesamtkosten tragen und auch den Großteil der organisatorischen Abwicklung übernehmen. Das heißt, die Lehrkräfte und die Pädagogischen Fachkräfte können sich vor allem auf die inhaltliche Durchführung konzentrieren. Und das erleichtert enorm den Zugang zu kulturellen Bildungsprojekten. Seit vier Jahren ist die Nachfrage tatsächlich auch höher, als wir sie bedienen können. Vor vier Jahren, im letzten Turnus, mussten wir den ersten Schulen und Kitas absagen oder sie auf eine Warteliste setzen. Dieses Jahr ist es so, dass sich insgesamt 60 Klassen und Gruppen aus Schulen und Kitas beworben haben und wir nur 20 zusagen konnten.  

Woran kannst du festmachen, dass der Bedarf so stark gestiegen ist seit dem letzten Turnus?  

Es schreiben natürlich viele in die Bewerbungen, dass die Gruppen sehr heterogen sind und durch kulturelle Bildungsprojekte die Kinder und Jugendlichen selbst sowie der Gruppenzusammenhalt gestärkt und dadurch auch viel aufgefangen werden kann. Viele Bewerbungen kommen auch aus dem Landkreis, wo Kultur weniger hinkommt. Ich weiß nicht, ob das noch die Ausläufer der Pandemie sind. Aber ich denke generell kommt durch die ganzen Krisen, die Transformation einfach so viel auf alle zu. Und vielleicht sehen die Schulen, dass all das durch kulturelle Projekte vielleicht mit mehr Leichtigkeit getragen werden kann. Wir waren auf jeden Fall extrem überrascht, weil auch so viele neue Bewerber*innen dabei waren, mit denen wir bisher noch kaum Kontakt hatten.

Und wie haben die Schulen von euch erfahren?

Wir haben in Stadt und Landkreis Bamberg ungefähr 80 Schulen und 130 Kitas. An die geht regulär eine Ausschreibungs-E-Mail. Parallel gibt es eine Pressemitteilung. Ich weiß nicht, wie die Schulen untereinander verbunden sind und diejenigen erreicht wurden, mit denen wir bisher noch kaum Kontakt hatten. Aber man spricht ja und der KS:BAM ist ja bei den meisten bekannt. Es ist auf jeden Fall superschön, dass da jetzt auch Schulen mit dabei waren und sind, die bisher noch keinen Fuß in der Tür hatten.

Also die Schulen, die schon mal bei euch im Pott sind, müssen sich auch jedes Mal wieder bewerben, oder?

Ja. Die Kultur.Klassen sind auf vier Jahre angelegt. Gerne natürlich länger, wenn es klappt und die Ressourcen ausreichen. Ansonsten muss man da halt immer wieder schauen, wie die beste Zusammensetzung ist. Wir achten auch darauf, dass es eine gute Verteilung in Bamberg gibt, dass die Stadtteile und der Landkreis und natürlich auch die Einrichtungsarten an sich berücksichtigt sind, und dass alle mal die Chance haben, mit Kultureller Bildung in Berührung zu kommen. Es kommt auch mal vor, dass Einrichtungen schon lange dabei sind, aber zum Beispiel nicht das Interesse haben, sich in dem Bereich weiterzuentwickeln, Da geben wir dann vielleicht anderen die Chance. Mit dem Wissen, dass wir diejenigen, denen wir absagen mussten, ja auch trotzdem gut mit der allgemeinen Projektförderung unterstützen können. Da fällt dann zwar die Gesamtorganisation weg, aber sie erhalten immerhin Geld und sind teilweise schon so lange dabei, dass sie eigene Erfahrungen damit haben, wie sie Kooperationen eingehen. Und auch schon vernetzt sind mit den relevanten Akteur*innen. Für uns war die Auswahl dieses Jahr natürlich alles andere als leicht, aber wir sind mit der Verteilung relativ zufrieden. Aber natürlich sehr, sehr unzufrieden, dass wir so vielen absagen mussten.

Anja Hofmann

ist seit 2011 Koordinatorin für Kulturelle Bildung beim KS:BAM – Kultur.Service Bamberg für Schulen und Kitas, der kommunalen Koordinierungsstelle für Kulturelle Bildung in Stadt und Landkreis Bamberg, ansässig im Kulturamt der Stadt Bamberg. Sie leitet den KS:BAM gemeinsam mit Nicole Uthe-Schlosser und Anna Huth, die seit Mitte 2023 das Team vervollständigt. Neben dem Kultur.Klassen-Programm ist sie für Veranstaltungsorganisation, Desktop-Publishing sowie Öffentlichkeits- und Netzwerkarbeit zuständig und vertritt den KS:BAM auf Landes- und Bundesebene. Zudem betreut sie zusammen mit Anna Huth das KuKuK-Projekt der Stiftung Kinderförderung von Playmobil. 

Kultur.Klassen

Mit den Kulturklassen hat der KS:BAM ein Kooperationsprogramm geschaffen, dass seit vielen Jahren ein Beispiel für gute Praxis ist.

Was bräuchtet ihr an der Schnittstelle, damit ihr mehr Kultur.Klassen ermöglichen könntet? 

Tatsächlich ganz pragmatisch mehr Geld und mehr Personal. Generell arbeiten wir schon seit einiger Zeit am absoluten Maximum. Um mehr Kultur.Klassen einzurichten, bräuchte man einen größeren Topf, denn wir haben dafür tatsächlich ein gedeckeltes Budget. Das kommt von der Stadt Bamberg für die Schulen und Kitas in der Stadt und vom Landkreis für die Landkreiseinrichtungen. Wir hätten also gar nicht mehr Kultur.Klassen zusagen können. Es muss tatsächlich beides parallel zufließen und es muss auf jeden Fall von oben unterstützt werden, also vom Stadtrat und Kreisausschuss, sofern man auf kommunaler Ebene bleibt. 

Und gibt es auf übergeordneter Ebene etwas, das euch unterstützen könnte? 

Wir versuchen es zuerst über den Kultursenat und den Kulturausschuss, auch wenn sich kommunal die Wege manchmal etwas schwierig gestalten, da wir oft für uns selbst kämpfen müssen, so wie es bei anderen Kulturakteur*innen ja auch meistens der Fall ist. Von oben sagt da leider niemand, Mensch, wir haben jetzt die Situation mitbekommen, da muss was getan werden. Generell ist es natürlich immer förderlich, wenn das nicht nur durch uns als KS:BAM, sondern auch durch unser Netzwerk an die Entscheidungstragenden herangetragen wird. 

Was ich eine sehr gute Argumentationshilfe finde, ist eine Studie der Hochschule Coburg zu Kultureller Bildung in der Europäischen Metropolregion. Darin wird auch klar, was wir uns ja schon die ganze Zeit denken: Die beste Möglichkeit, Kulturelle Bildung in Metropolregionen voranzubringen, ist der Ausbau von Koordinierungsstellen.  

„Die beste Möglichkeit, Kulturelle Bildung in Metropolregionen voranzubringen, ist der Ausbau von Koordinierungsstellen.“

Anja Hofmann, KS:BAM

Gibt es neue Bedarfe, die an euch herangetragen werden und die du hervorheben möchtest? Seid ihr hierfür personell gut aufgestellt? 

Es kommen super viele Bedarfe von außen, die ja irgendwie bedient werden müssen. Momentan zum Beispiel Bildung für Nachhaltige Entwicklung – BNE. Das Umweltamt hat bei uns gerade Gelder für BNE beziehungsweise Kulturelle Klimabildung und ist froh, dass wir bereits ein großes Netzwerk und die ganzen Kontakte haben, aber die Frage ist natürlich die Kapazität. Wir haben nun einige Projekte gesammelt, die die Schulen mit den entsprechenden Kooperationspartner*innen kostenfrei umsetzen können. Es wird sich zeigen, wie wir das personell hinbekommen.  

Neben BNE ist ein weiteres wichtiges Bedarfsthema der Ganztag. Ein Thema, mit dem wir uns bisher leider noch nicht allzu sehr beschäftigt haben. Was einfach daran liegt, dass die Kultur.Klassen ja generell im Unterricht integriert sind. Die Bildungsbüros beschäftigen sich sehr mit dem Thema Ganztag, hier werden wir uns einbringen. Das Problem ist bei uns in Bamberg, dass es leider keinen ämterübergreifenden Dreiklang (Kulturamt/KS:BAM + Bildungsbüro + Jugendamt) oder eine Steuergruppe in Bezug auf Kulturelle Bildung gibt, wie z. B. das Koordinierungsforum Kulturelle Bildung in München. Wir bearbeiten bisher nichts gemeinsam. Wir hoffen aber, dass sich das in Zukunft etwas ändert. 

 
Welche Rolle spielt der KS:BAM neben den Kultur.Klassen bei der Initiierung und Förderung von Kooperationen in der kulturellen Bildungslandschaft?  

Ich denke schon, dass der KS:BAM hierbei eine zentrale Rolle spielt. Wir haben als Koordinierungsstelle vermutlich das größte Netzwerk in dem Bereich und auf jeden Fall die meisten Fördergelder für die kulturelle Bildungslandschaft zur Verfügung. Die Kultur.Klassen sind natürlich das eine und auch mehr oder weniger Dreh- und Angelpunkt. Aber die allgemeine Projektförderung ist auch nicht zu unterschätzen. Da sind wir im Prinzip einfach nur Geldgeber. Wir initiieren manchmal Pilotprojekte, wo wir merken, es ist Bedarf da. Zum Beispiel hatten wir vor einigen Jahren eine Krippenprojektentwicklung, weil wir gemerkt haben, es gibt einfach doch noch zu wenige Kulturakteur*innen, die in dem Bereich etwas anbieten, sodass wir zusammen mit zwei, drei Kinderhäusern eine Krippenprojektentwicklung angestoßen haben und versuchen natürlich auch immer, Fortbildungen anzubieten. Wir haben beispielsweise einen Fachtag „Kultur in der Kita“ und einen Fachtag „Licht AN für Kulturelle Bildung an Schulen“.  

Haben sich die Kooperationsdynamiken zwischen formalen und non-formalen Bildungseinrichtungen bzw. Akteur*innen in den letzten Jahren verändert?  

Die Jahre 2020 und 2021 muss man da de facto ausklammern. Die Dynamik ist seit 2022, finde ich, aber enorm da. Anfangs dachten wir, nach der Pandemie muss man schauen, wie man alles wieder an die Einrichtungen bringen kann, aber tatsächlich werden wir seit 2022 überrannt mit Anfragen und aus KS:BAM-Sicht ist ein neuer Höhepunkt der Kulturellen Bildung erreicht. Aber vielleicht auch wegen der ganzen Transformation und nun auch wegen der guten Kombinierbarkeit mit BNE. Ich denke bzw. hoffe, dass während und nach der Pandemie schon klar geworden ist, Kulturelle Bildung eben mehr ist als ein „nice to have”. Was die Kultur.Klassen betrifft, ändern sich natürlich immer wieder die Interessen, die Themen und dementsprechend natürlich auch die Auswahl der Kulturpartner*innen. Mit BNE ist auch ein neues Interesse geweckt, wo viele vielleicht noch mal ihre Projekte anders aufstellen oder sich noch mal neue Gedanken machen.  

„Kulturelle Bildung ist eben mehr als ein ‘nice to have’.“

Anja Hofmann, KS:BAM

Podcast MOSAIK

Jetzt in die passende Folge zum Thema BNE aus unserem Podcast “MOSAIK – Perspektiven der Kulturellen Bildung” reinhören!

Kulturelle Bildungskooperationen im Ganztag

Mit Blick auf den Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung ab 2026 ist das Thema Kulturelle Bildungskooperationen im Ganztag wichtiger denn je. Weitere Informationen hier.

Welche Schwerpunkte plant ihr, in eurer kommunalen Bildungslandschaft zukünftig zu setzen?  

Ich glaube, dass Kulturelle Bildung in Verbindung mit BNE vor allem erst mal ein Schwerpunkt werden wird, solange die Mittel vom Umweltamt zur Verfügung stehen. Wir können uns auch immer nur auf ein Schwerpunktthema fixieren, alles andere übersteigt unsere Kapazitäten.  

Unser Anliegen – übergeordnet gesehen – ist es außerdem, ein Netzwerk Kulturelle Bildung Bamberg zu etablieren, damit eben auch mal die Kulturelle Bildung als Querschnittsdisziplin gesehen wird und sich diese Trennung der Ämter aufhebt und man sich ein bisschen annähert. Wir wurden ja auch für die K²-Beratung der Bundesakademie Wolfenbüttel ausgewählt. Das ist supercool für uns, weil wir uns eben gedanklich schon eine Zeit lang mit einer Netzwerkentwicklung beschäftigen, das aber halt allein auch nicht so vorantreiben können. Wir hoffen, dass dadurch ein Grundstein gelegt werden kann und auch in Bamberg so ein Zusammenschluss Kulturelle Bildung mit vielen verschiedenen Akteur*innen funktionieren kann. Das wäre großartig, so eine Art Mini-LKB für Bamberg. Wir hätten dann als KS:BAM den Hut auf, können aber nur den Bereich Schule und Kita abdecken. Andere könnten sich dann z. B. auf Lebenslanges Lernen konzentrieren oder Inklusion oder Ähnliches. Auf jeden Fall wäre die Idealvorstellung, dass man dadurch verschiedene Arbeitskreise schafft und sich dann mit Impulsvorträgen oder Fortbildungen gegenseitig füttert.  

Du hast gerade schon von dem K²-Programm aus Wolfenbüttel erzählt. Gibt es irgendwas auf Landesebene, was euch bei der Netzwerkarbeit helfen würde? Was würdest du dir vom Freistaat Bayern wünschen?  

Da könnte mehr kommen, da sind uns andere Bundesländer voraus, aber es ist toll, dass das Kunstministerium das Projekt „Land schafft Kultur“ fördert, wo wir in Hinblick auf die ländlichen Räume gerne mit drauf springen. Ich klinke mich da immer gerne ein, weil man da ja doch viel Input bekommt. Ich bin sehr gespannt auf das „Land schafft Kultur”-Projekt in Oberfranken, wenn das im November 2023 an den Start geht.  

Vielen Dank, Anja, dass du dir Zeit für das interessante Interview genommen hast! 

Das Interview wurde am 25.8.2023 geführt von Daniela Biebl (LKB:BY)

Kommunen für Kulturelle Bildung

Landesweit haben sich in mehreren Städten Koordinierungsstellen für Kulturelle Bildung entwickelt. Sie unterstützen Kooperationsvielfalt und zeigen Förderstrategien auf. Weitere Informationen hier.

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Finanzierungsmöglichkeiten für Kulturelle Bildungskooperationen

Einen Überblick über die zahlreichen Finanzierungsmöglichkeiten von kulturellen Bildungsangeboten zu behalten ist manchmal gar nicht so leicht. Wir haben für Sie Förderprogramme, Stiftungen und Wettbewerbe recherchiert, die sich für Bildungskooperationen mit Schulen eignen können. Weitere Informationen hier.