Interview mit Anja Sprotte: Künstlerisches Arbeiten an Schulen

Künstler an die Schulen e.V. (KADS) arbeitet seit seiner Gründung mit vielen verschiedenen Schulen zusammen. Gibt es dabei eine Kooperation, anhand derer du uns eure Arbeitsweise skizzieren könntest?

Wir arbeiten seit vielen, vielen Jahren speziell mit einer Schule im Ganztag zusammen, dem Sonderpädagogischen Förderzentrum Neuburg (SFZ). Zu den Erfolgsfaktoren am Sonderförderzentrum gehören zwei Lehrkräfte, die sehr engagiert sind, unseren Verein kannten und diese Kooperation angestoßen haben. Das Besondere an dieser Kooperation ist, dass wir am SFZ sehr umfassend tätig sind. Wir bieten in der Grundschule und in der Mittelschule pro Jahr zwischen fünf und acht Kurse an. Fünf bis acht Künstler*innen arbeiten dort jedes Jahr parallel und die Schule hat erfreulicherweise erkannt, was wir für einen Mehrwert bieten mit unserer Bandbreite an Angeboten. Die Schule nennt uns oft relevante Themen oder aktuelle Interessen der Kinder und Jugendliche und wir überlegen gemeinsam, was wir umsetzen können und wollen. Das können beispielsweise auch Alltagsthemen wie Umwelt oder Ernährung sein, die jetzt nicht klassisch künstlerisch sind. Oder das Thema Mobbing, dazu können wir beispielsweise theaterpädagogisch super unterstützen. Es gibt am Anfang des Schuljahres immer einen Austausch, in dem gefragt wird: Was will die Schule, was braucht sie und was können wir anbieten? Dann wird gemeinsam entschieden, was wir tatsächlich durchführen. Das ist schon mal ein großer Mehrwert. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist, dass die Schüler*innen frei wählen und mitmachen dürfen. Wir haben durch die Fülle an Angeboten eine Person bei KADS, die unsere Künstler*innen koordiniert. Und wir haben einen Koordinator auf Seiten der Schule und somit zwei Personen, die sehr eng miteinander arbeiten. Das ist natürlich super. 

Gibt es noch weitere Aspekte für gutes Gelingen von Kooperationen?

Ein wichtiger Aspekt ist das Arbeiten auf Augenhöhe, auch wenn es oft schwer organisierbar ist. Es ist wichtig, dass uns die Schule nicht als billige Betreuungskräfte sieht, die einfach irgendwas anbieten nach dem Motto „Hauptsache die Schüler sind verräumt”. Und auch die Künstler*innen sollten nicht mit erhobener Nase in Schulen gehen und sagen: „Wir sind die tollen Künstler und ihr könnt eh nichts.“ Viel sinnvoller ist es, eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe zu schaffen, also zu sagen, dass man die Kinder im Blick hat und man ihnen einen Mehrwert durch externe Professionen bieten möchte. Letztendlich ist es ja die pädagogische Arbeit, die im Vordergrund steht. Es geht nicht um die perfekte künstlerische Ausgestaltung von Dingen, sondern es geht um die Auseinandersetzung mit Themen und die Kunst ist Vehikel, um diese Themen zu platzieren. Es geht um all diese klassischen Dinge, die wir erreichen wollen mit unserer kulturellen Bildungsarbeit.  

Ein wesentlicher Gelingensfaktor ist, dass man sich kennt. Das klingt jetzt banal, aber manchmal ist es so, dass man als Künstler*in an eine Schule kommt und weder der Hausmeister weiß Bescheid, dass er jetzt diesen Raum aufsperren soll, noch wissen andere Lehrer*innen, dass da eine fremde Person im Haus rumläuft. Es ist wirklich wichtig, eine Willkommenskultur zu etablieren und zu sagen: „Okay, da kommt jemand von extern, den lade ich ins Lehrerzimmer ein, dann lernt man sich da erst mal kennen.“ So wird das am SFZ gehandhabt. Unsere Künstler*innen haben immer eine Viertelstunde vor Projektbeginn Zeit für ein Treffen im Lehrerzimmer. Dort gibt es dann eine Übergabe zwischen Lehrkraft und Künstler*in. Die Lehrkraft kann sagen: „Mensch, der Schüler war heute Vormittag so drauf und bei der war das schwierig und bei dem steht das an“. So weiß auch der Künstler oder die Künstlerin, wo jeder gerade steht. Es ist extrem wertvoll, dass man persönlich miteinander über den Stand der Dinge spricht und sich die Klasse übergibt. 

Stefanie Giesder

„Es ist extrem wertvoll, dass man persönlich miteinander über den Stand der Dinge spricht und sich die Klasse übergibt.”

Anja Sprotte, KADS e.V.

Heißt das, dass ihr bei der Auswahl der Künstler*innen auch immer darauf achtet, diese in Kollegium zu integrieren?

Ja, dadurch, dass wir schon seit zehn Jahren mit dem SFZ kooperieren und wir einen Künstler als Ansprechpartner haben, haben wir da einen guten Weg gefunden. Neue Künstler*innen, die wir in das Projekt einbinden wollen, schicken wir zum Hospitieren zu ihm. Sie bekommen sie etwas vom Spirit mit und sehen, worauf wir Wert legen. Beim SFZ muss man dazu sagen, dass die Kinder einen hohen Förderbedarf haben, es ist daher schon eine hohe pädagogische Aufgabe, die man erfüllen muss. Wir haben den Anspruch, auch den Kindern gerecht zu werden, die manchmal einfach lauter sind als andere oder schwieriger bei der Stange zu halten sind. Hier muss man sich als Künstler*in immer auch pädagogische Konzepte überlegen. Man kann nicht hingehen und sagen: „Jetzt malt ihr mal konzentriert zwei Stunden lang.“ Mittlerweile wissen wir einfach, welche unserer Künstler*innen wir ans SFZ schicken können. Dafür müssen wir uns die Fragen stellen: Wer fühlt sich da wohl? Wer passt in dieses Konstrukt und wer vielleicht weniger? Ja, und so gestalten wir entsprechend aus. 

Anja Sprotte

ist Diplom-Psychologin und Geschäftsführerin von Künstler an die Schulen e.V. Im Verein kümmert sie sich um Finanzierungsmöglichkeiten für Projekte, ist Ansprechpartnerin für bestehende und interessierte Künstler*innen, initiiert und verwaltet Kooperationen zwischen Kulturschaffenden und Bildungseinrichtungen und ist Teil des Ingolstädter Netzwerkes der Kultur- und Jugendarbeit. 

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Könnt ihr den Künstler*innen auch professionelle Begleitung anbieten, zum Beispiel, dass sie sich sozialpädagogisch weiterbilden, wenn sie merken, ihnen fehlen Methoden? Oder sie hätten gerne Handwerkszeug, wie man mit Kindern oder Jugendlichen umgeht, die mehr Begleitung brauchen?  

Das wäre schön. Wir sind dran, dass wir auch qualitätsmäßig Fortbildungen anbieten. Bisher haben wir das noch nicht gemacht. Wir bieten aber eine interne Austauschmöglichkeit, die Gelegenheit bietet, von den erfahrenen Künstler*innen in Sachen Methodik zu profitieren oder auch mal in einer schwierigeren Umgangssituation unterstützt zu werden. Dann schließt man sich zusammen und es wird überlegt, wie man damit umgehen kann. 

Jetzt noch mal rausgezoomt mit Blick auf den Rechtsanspruch auf Ganztag ab 2026. Was bräuchten Akteur*innen auf beiden Seiten, um ein qualitätvolles Angebot an Schulen zu etablieren?

Also zum einen ist eine angemessene Bezahlung notwendig. Die Honorarsätze, die durch die Regierung von Oberbayern zur Verfügung gestellt werden, sind relativ niedrig. Wir als KADS können unsere Arbeit am SFZ nur durch ein Sonderkonstrukt umsetzen, weil wir durch die Schulart Sonderförderzentrum andere Möglichkeiten haben zu agieren – auch finanziell. Und nur deswegen können wir mit unserem Angebot da präsent sein. Wir sind mittlerweile bei einem Honorarsatz von 70 € pro Stunde. Den kann ich nicht in einen regulären Ganztag schicken, das funktioniert nicht. Also erstens: Es braucht eine angemessene Bezahlung. Zweitens: Wertschätzung ist sehr wichtig. Also als Schule oder Lehrkraft zu verstehen, dass so ein künstlerisches Angebot Mehrwert bietet. Ein künstlerisches Angebot ist etwas anderes als reine Hausaufgabenbetreuung oder reines Bewegungstraining. Wir haben einen pädagogischen Anspruch und leisten tatsächlich Entwicklungsarbeit. Wir unterstützen die persönliche Entwicklung der Schüler*innen durch das Vehikel Kunst. Und das muss von Seiten der Schule erkannt werden. Sonst macht eine Kooperation keinen Sinn. 

Podcast MOSAIK

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Gibt es weitere Punkte auch auf Seiten der Schulen, die den Ausbau von Ganztag erleichtern würden? 

Es kommt immer darauf an, wie viel Auswahl in den Städten besteht, um den Ganztag überhaupt zu besetzen. In der Regel machen sich die Wohlfahrtsverbände hier sehr stark und leisten die Ganztagsangebote. Es geht um die Fragen: Was haben die Schulen an Auswahl? Gibt es viel Auswahl an Personal, auf das sie zurückgreifen können? Ich glaube, für die Schüler*innen wäre es am besten, es gäbe eine Bandbreite an Vereinen z.B. Sportvereine, mit denen man zusammenarbeitet. Diese einzubinden und zu koordinieren, das ist natürlich ein erheblicher Aufwand. Ich weiß auch nicht, wer das leisten könnte, ob es da eine Stelle gibt, die Angebote bündelt. Vielleicht wäre auch eine Plattform hilfreich, auf der Schulen nachschauen können, welche Träger des Ganztages es in der eigenen Stadt gibt. Sinnvoll wäre auch ein variableres Budget für Angebote. 


Ihr seid ja jetzt Träger der freien Jugendhilfe. Was waren eure Beweggründe für diese Änderung? 

Also, Träger der freien Jugendhilfe zu werden, hatte für uns mehrere Gründe. Zum einen sehen wir uns als KADS tatsächlich in der Jugendarbeit verankert und glauben auch, dass wir wichtig sind in diesem Ingolstädter Konstrukt. Und dann würden wir auch gerne mitreden, was Jugendarbeit betrifft. Als Träger der freien Jugendhilfe haben wir auch nochmal andere Zugänge zu Fördermitteln, die wir akquirieren können und können so andere Projektarten realisieren. Unser Konstrukt ist so, dass wir kein festes Budget auf die Projekte aufteilen können, sondern für jedes Projekt eine Finanzierung suchen müssen. Es stehen uns als Träger der freien Jugendhilfe einfach mehr Möglichkeiten offen. Wir können mit den bayerischen Jugendbewegungen, mit den Jugendringen auch besser kooperieren und gemeinsame Projekte initiieren. 

Habt ihr eine Beratung in Anspruch genommen für den Wandel?  

 Ja, wir haben tatsächlich Beratung beim Bayerischen Jugendring in Anspruch genommen für den Antrag als Träger der freien Jugendhilfe. In der Beratung ging es darum zu erfahren: Wo können wir das beantragen? Wie genau müssen wir das machen? Worauf müssen wir achten?

Chance Ganztag München

Ein Beispiel, wie Ganztagsangebote in einer Stadt gebündelt werden können. Weitere Informationen hier.

Kulturelle Bildungskooperationen im Ganztag

Mit Blick auf den Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung ab 2026 ist das Thema Kulturelle Bildungskooperationen im Ganztag wichtiger denn je. Weitere Informationen hier.

Wie können Freistaat und Kommunen oder auch die LKB:BY unterstützen, um Kooperationen zwischen schulischer und außerschulischer kulturellen Bildung zu fördern? 

Ich glaube, das Finanzthema ist wichtig und sollte überdacht werden. Das andere ist der schulische Lehrplan. Es braucht einfach auch Freiraum im Lehrplan. Wenn der Rechtsanspruch auf Ganztag ab 2026 kommt, dann braucht es Freiraum, den man zum Beispiel mit künstlerischen Projekten füllen kann. Vielleicht lässt sich so etwas verankern. Das sind aus meiner Sicht die Hauptpunkte. Und wie ich vorhin schon gesagt habe: Vielleicht würde eine Plattform helfen, über die man sich als Schule informieren kann. Was gibt es denn überhaupt für Möglichkeiten in meiner Region? Wen kann ich ansprechen, um in meinem Ganztag kompetente, wertvolle Ergänzung zu finden?  

Das Interview wurde geführt von Daniela Biebl am 21.09.2023.  

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Förderungen

Finanzierungsmöglichkeiten für Kulturelle Bildungskooperationen

Einen Überblick über die zahlreichen Finanzierungsmöglichkeiten von kulturellen Bildungsangeboten zu behalten ist manchmal gar nicht so leicht. Wir haben für Sie Förderprogramme, Stiftungen und Wettbewerbe recherchiert, die sich für Bildungskooperationen mit Schulen eignen können. Weitere Informationen hier.